Ein fiktives Tagebuch von Anne-Sophie Liebe
Das Tagebuch zeigt die Höhen und Tiefen des Erwachsenwerdens mit all den Problemen der körperlichen Veränderung, den intellektuellen Leistungsschwankungen in der Schule, den emotionalen Berg- und Talfahrten und den Bindungsängsten erwachender partnerschaftlicher Sehnsüchte und den sozialen Begebenheiten einer behüteten Tochter und der Wichtigkeit großelterlicher Bezugsstrukturen.
Alle diese Umstände sind dem Leser aus eigener Erfahrung andeutungsweise vertraut und mit Schmunzeln erinnert man sich an diese durchaus nicht unproblematische Zeit, die sich im Spiegel der Vergangenheit zu verklären scheint.
Die Form von Tagebuchliteratur mag ein wenig aus der Mode gekommen sein, die brillante Art der Autorin, die Spannung auf das Morgen aufrechtzuerhalten, gelingt ihr perfekt, sodass der Schluss des Buches nicht verraten sein mag.
o. Univ.-Prof. Dr. Max H. Friedrich
120 Seiten, Paperback
Format 15 x 21 cm
ISBN 978-3-900254-25-4
Zentrales Thema dieses Buches ist eine Krankheit, die heutzutage immer noch von vielen Menschen nicht als solche erkannt und angesehen wird. Unzählige Frauen leiden unter einer "harmlosen" Form der Essstörung, dass heißt, sie setzen sich immer wieder einer Diät aus und eifern mehr oder weniger konsequent dem "Traum"-Körper nach, den Modedesigner mit ihren androgynen Vorlieben diktiert haben. Das Problem ist, dass viele Frauen sich mit den allgemeinen Essstörungen nicht auskennen, sodass ihre Krankheit oft viel zu lange unerkannt bleibt und lediglich als Diättrick oder als Undiszipliniertheit eingestuft wird.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Schönheit, Erfolg, innere Stärke und Selbstbewusstsein in einem Menschen vereint, nicht als Idealfall, sondern als Selbstverständlichkeit gesehen wird. Doch wer bestimmt die Normen dafür? Uns werden Ideale über Medien und Werbung vermittelt und der Wunsch, dem zu entsprechen, nicht minder durch Suggestion diverser Slogans und Produktanpreisungen geweckt. Und wir lassen uns täuschen. Denn den perfekten Menschen gibt es nicht, und das ist auch gut so. Die Vielfältigkeit, die Andersartigkeit ist es, die das Leben, die Natur, die Menschen, jede, jeden für sich zu etwas Besonderem macht. Jedoch dürfen heutzutage Schwächen und Ängste nicht nach außen hin gezeigt werden. Hier stellt sich eine Verbindung zum Verhalten von Bulimiepatienten her. Starre Norm- und Wertvorstellungen erlauben die freie Äußerung von Gefühlen nicht. Darüber hinaus widerspricht es dem eigenen Autonomie-Ideal, bedürftig und verletzlich zu sein. Die Auseinandersetzung mit der Konfliktsituation wird vermieden und mit einem inneren oder äußeren Rückzug beantwortet. Es entsteht ein Gefühl der Leere und Entfremdung.
Bulimie ist eine Zivilisationskrankheit, die ihren Ursprung in einem von unserer Konsumgesellschaft geschaffenen, mitunter folgenschweren, weil rein auf Profitmaximierung ausgerichteten Kreislauf hat. Einerseits wächst der Produktmarkt der Lebensmittelbranche, andererseits wird für Schlankheitsmittel und diätunterstützende Produkte geworben, die dem Menschen zu seinem Idealgewicht verhelfen sollen. Auf den ersten Blick scheint die Handlungsweise von Bulimiepatienten eine ideale Lösung zu sein, um sowohl mit der breiten Verfügbarkeit gut schmeckender Nahrungsmittel als auch mit dem Wunsch, entsprechend den vorherrschenden Vorstellungen attraktiv zu sein, zurechtzukommen: "Fressen" und Erbrechen. Bulimikerinnen sind sich leider aber oft nicht im Klaren darüber, welche ernsten medizinischen Probleme ihre Krankheit mit sich bringen kann. Der Gedanke daran, tatsächlich Bulimiker zu sein, wird verdrängt, die Symptome verharmlost und die bewusste Konfrontation mit der Krankheit vermieden. Wie gefährlich diese Krankheit nun wirklich ist, beweisen die physiologischen Auswirkungen, und wie notwendig es wäre, sich der Tatsache zu stellen und offen zu sein für eine Behandlung, sollte den betroffenen Personen viel mehr vor Augen geführt werden. Bulimie ist eine Krankheit, über die man allgemein nicht so viel weiß, über die nicht offen genug geredet wird, die einen peinlichen Beigeschmack hat und die eine wachsende Zahl an Betroffenen vorweisen kann. Es ist eine Krankheit unserer Überflussgesellschaft, eine moderne Krankheit, die wieder einmal beweist, wie "krank" unsere Gesellschaft ist. Leider suchen viele Patientinnen erst nach Jahren, wenn die Essstörung bereits chronisch ist, einen Therapeuten oder Arzt auf. In dieser Zeit hat die bulimische Symptomatik im Erleben der Patientinnen - meist entkoppelt vom aktuellen Konflikt- und Beziehungsgeschehen - bereits eine Eigendynamik entwickelt, die ohne konkrete Hilfe auf der Symptomebene nur schwer zu durchbrechen ist.
Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich auf die seelische Gebrechlichkeit so mancher junger Menschen, ihre Ängste und Sorgen, die sie oft verbergen und nach außen hin nicht austragen, aufmerksam machen möchte und in diesem Zusammenhang auch auf die Gefahr der Bulimie und das gefährliche Versteckspiel vieler Betroffener. Viel mehr junge Menschen, als man womöglich vermutet, werden von Zukunftsängsten gequält, sind unsicher und uneins mit sich selber und haben nie einen guten Umgang mit Konflikten und Sorgen gelernt. Diese Tatsachen und der Glaube der jungen Mädchen, dass schlanke Frauen attraktiver und erfolgreicher seien, können bei solchen Mädchen eine Bulimieerkrankung auslösen. Meiner Meinung nach sollte die Öffentlichkeit verstärkt auf die körperlichen und seelischen Auswirkungen von Essstörungen aufmerksam gemacht werden. Denn immer wieder kommt es vor, dass Bulimiepatienten mit Selbstmordgedanken spielen. Selten, aber in manchen Fällen doch, kann es auch zum Durchbruch der Magenwand sowie zum Erstickungstod durch Verstopfung der Luftröhre kommen.
Schließlich möchte ich noch betonen, dass es nicht nur darum gehen sollte, woran man Essstörungen bei seinen Mitmenschen erkennt und wie man sie "heilen" kann, sondern es sollte das Augenmerk auch vermehrt auf das Grundübel, auf die auslösenden Faktoren der Essstörungen, gelegt werden. Wie kann es soweit kommen? Wie kann man es verhindern? Was können die eigene Familie, die Gesellschaft, die Medien und die Werbung präventiv tun, um zu verhindern, dass es überhaupt soweit kommt.